Um unser Land kämpfen heißt, die Würde Aller jederzeit und überall zu schützen

Erklärung von Servet Köksal, Vorsitzender der SPD Wuppertal, aufgrund des Jahrestages des rechtsterroristischen Mordanschlags in Hanau.

 

„Die schreckliche Tat von Hanau, die sich am Freitag dieser Woche jährt sowie die Mordanschläge auf den Kasseler Regierungspräsidnten Walter Lübcke im August 2019 und in Halle im Oktober 2019, halten uns die bittere Realität vor Augen: Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus ist weiterhin eines unserer drängendsten und gefährlichsten Probleme.

Rechtsextremismus in unserem Land ist keine plötzliche Erscheinung. Untersuchungen belegen, dass ein Teil der Bevölkerung seit Jahrzehnten eine verfestigte Einstellung hat. Der Bevölkerungsanteil, der eine manifestierte Ausländerfeindlichkeit aufweist, beträgt aktuell mehr als 13 %. Die unverzichtbaren und intensiven gesellschaftlichen Anstrengungen als auch die Stärkung der politischen Bildung haben zu einer Reduzierung beigetragen. Es ist wichtig diese Anstrengungen zu unterstützen, zu fördern und auch anzuerkennen, dass diese Bemühungen nur als Daueraufgabe Früchte tragen. Dazu können und müssen auch auf kommunaler Ebene mehr Investitionen in politische Bildung vorgenommen und die Arbeit bestehender Organisationen gestärkt werden.

Die Taten von Eberswalde, Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Hünxe, Magdeburg, Mölln und Solingen in der ersten Hälfte der 1990er Jahre waren lediglich der Beginn einer abartigen und feindlichen Entwicklung, wonach aus rechtsextremen Gedanken menschenverachtende Worte, und aus den Worten leider wiederholt mörderische Taten geworden sind. Die Taten von Hanau und Halle und der Mordanschlag auf Walter Lübcke bilden die dritte Welle rechtextremer Gewalt.

Die zweite Welle, nämlich die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), fand bereits in den Jahren 2000 bis 2007 statt und war mit kaum vorstellbaren Ermittlungsfehlern behaftet. Neun Menschen mit Migrationshintergrund und eine Polizistin fielen der NSU Mordserie zum Opfer. Mit dieser in der Geschichte der Bundesrepublik schändlichen Mordserie ist verbunden, dass die Sicherheitsorgane in unserem Land, die schwer vorstellbare aber reale und gegenwärtige Möglichkeit nicht in Betracht gezogen haben, dass hinter all diesen Taten ein und dieselbe Gruppierung stand, deren Motivation sich aus dem Hass auf Menschen mit Zuwanderungsgeschichte speiste.

Rechtsextreme Gräueltaten entstehen nicht im luftleeren Raum. Sie speisen sich aus der Idee, dass es angeblich Menschen und Rassen gäbe, die anderen Menschen überlegen seien.

Deshalb ist einer von vielen und überfälligen Schritten die Streichung des Begriffs Rasse aus dem Artikel 3 des Grundgesetzes. Selbstverständlich verwendeten die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes diesen Begriff, um sich von Rasseideologien zu distanzieren. Die Verwendung im Grundgesetz-Text bietet jedoch für geistige Brandstifter leider eine Grundlage, um ihre Ideen zu assoziieren.

Ein weiterer, wichtiger Schritt betrifft die Organisation und Aufstellung unserer Sicherheitsbehörden. Kein Mensch ist frei von Stereotypen und Vorurteilen. Auch unsere vertrauenswürdigen und wertvollen Sicherheitskräfte und -organe nicht, die sich täglich für unser aller Wohl, unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat einsetzen und dabei selbst Gefahren aussetzen. Jeder Mensch ist auch ein Produkt der Erfahrungen, die er oder sie im Laufe des Lebens macht. Die Aufklärungsmängel bei der NSU-Mordserie verdeutlichen leider, dass Erfahrungswerte und Stereotypen die Arbeit unserer Sicherheitskräfte teilweise entscheidend und nachteilig beeinflussen können. Zugleich ist im gesamten öffentlichen Dienst, auch den Sicherheitsorganen, der Anteil von Menschen mit internationaler Herkunft bis heute stark unterrepräsentiert und in den Führungs- und Vorbildfunktionen kaum vertreten. Wir sind noch deutlich davon entfernt, ein Abbild unserer Gesellschaft zu erreichen. Das ist ein guter Ansatzpunkt: Ein vielfältig aufgestellter öffentlicher Dienst und Sicherheitsapparate bilden die richtige Antwort auf unsere Gesellschaft, die seit den 1960er Jahren mehr und mehr durch Zuwanderung geprägt ist.

Deshalb sind die Bemühungen der gesamten öffentlichen Hand zu verstärken, Menschen mit Zuwanderungsgeschichte als Bedienstete zu gewinnen und auch ihren Anteil unter den Führungskräften auszubauen. Menschen mit internationaler Herkunft sollten sich gleichzeitig ermutigt fühlen, sich dort zu bewerben. Ein öffentlicher Dienst und Sicherheitsorgane, die die gelebte Realität und Normalität unserer Gesellschaft abbilden, sind eines der wirksamsten Instrumente gegen rechtextreme Zweige und Entwicklungen in den eigenen Reihen der Behörden. Zugleich bietet es die Chance, nachhaltig das Vertrauen und die Identifikationskraft aller Bevölkerungsgruppen in die Institutionen unseres Landes zu stärken.

Die zentrale Herausforderung für alle Demokratinnen und Demokraten ist jedoch die Frage, wie den geistigen Brandstiftern geschlossen und entschlossen begegnet werden kann.

Hier sind Alle gefordert. Es ist an der Zeit, dass wir die Haltelinien gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit deutlicher ziehen denn je. Artikel 1 des Grundgesetzes, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist, muss die Richtschnur jedweder Handlung werden – ob in der politischen Arena, im privaten Kontext oder auch und gerade im Internet. Bei der Feststellung von Zuwiderhandlungen sind wir alle gefordert, entschiedener entgegenzutreten und auch rechtliche Instrumente auszuschöpfen.

Aus einer Sprache des Hasses, die insbesondere durch die AfD aus den Parlamenten in unsere Gemeinschaft getragen wird, werden mehr und mehr Taten des Hasses, aus den Taten des Hasses werden mehr und mehr Tote. Deshalb sagen wir NEIN zu jeglicher Zusammenarbeit mit dieser Partei. Wahltaktische Manöver, um die Stimmen der AfD zur Mehrheitsbeschaffung zu nutzen, sind schändlich. Auch in Wuppertal.

Wenn wir am Freitag der Opfer von Hanau gedenken, muss uns allen klar sein: Der Rechtsterrorismus ist unter uns – aber er gehört nicht zu uns. Es ist an der Zeit, ihn durch mehr Achtsamkeit, weiteren Weichenstellungen und Entschiedenheit zurückzudrängen.

Lassen Sie uns alle gemeinsam deutlich machen:
Als Demokratinnen und Demokraten müssen und werden wir immer und überall unsere Demokratie verteidigen. Auch im Internet. Wir werden uns für Menschenrechte sowie eine solidarische, plurale und vielfältige Gesellschaft einsetzen und Rassismus, Faschismus, Antisemitismus, Feindlichkeit gegen Muslime und jeglichem Extremismus entschieden und mit ganzer Kraft entgegentreten.“